Person - Ferdinand Gräf
Ferdinand Gräf, Restaurateur, Vorsteherstellvertreter der Gastwirtegenossenschaft und Stadtrat der Stadt Wien,
* 21. September 1855, † 25. November 1908, Bestattungsdatum: 21. Mai 1909, zuletzt wohnhaft: Ottakringerstraße Nr. 208.
Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) vom 26.11.1908, Seite 58:
Selbstmord des Stadtrates Gräf.
(Die Folgen eines Prozesses.)
Eine nicht nur in seinem Stammbezirke
Ottakring,
sondern in ganz Wien bekannte Persönlichkeit, Stadtrat
Ferdinand Gräf, ehemaliger Vorsteherstellvertreter
der Gastwirtegenossenschaft, hat gestern durch
Selbstmord geendet.
Ferdinand Gräf, der in der Ottakringerstraße
Nr. 208, im eigenen Hause eine vielbesuchte Gastwirtschaft
betrieb, wurde gestern abend von seiner Familie durch
längere Zeit nicht gesehen. Man suchte ihn im ganzen
Hause, und fand ihn schließlich um 1/2 12 Uhr nachts auf
dem Heuboden an einem Balken erhängt auf. Der
Strick wurde rasch durchschnitten; man bettete den Leblosen
auf den Boden und stellte Wiederbelebungsversuche an,
doch blieben sie erfolglos, da der Tod schon mehrere
Stunden vorher eingetreten war.
Die Ursache des Selbstmordes dürfte, wie eine
Lokalkorrespondenz mitteilt, in einem Prozeß zu suchen
sein, in dem Stadtrat Gräf eine Rolle spielte. Im Vormonat
war er wegen Ehrenbelerdigung, begangen an dem
Arzte Dr. Ferdinand Bachmann, angeklagt. Es
handelte sich um eine Ehrenbeleidigung, die in einem
Zivilprozeß begangen worden war. Ein Dienstmädchen
hatte nämlich den Stadtrat Gräf auf Anerkennung der
Vaterschaft eines unehelichen Kindes namens Ferdinand
M. geklagt. Bei der Verhandlung bestritt der Stadtrat,
der Vater des Kindes zu sein, und es kam ein Vergleich
zwischen der Klägerin und dem Sohne des Stadtrates
zustande, indem der Sohn die Vaterschaft anerkannte
und sich zur Zahlung von 16 K. monatlicher
Alimente verpflichtete. Stadtrat Gräf trat dem
Vergleiche bei. Er soll behauptet haben, daß Advokat
Dr. Bachmann der Vater des Kindes sei.
Der Advokat, der verheiratet ist, erblickte in
dieser Behauptung den Vorwurf eines unsittlichen
Verhältnisses und erhob die Ehrenbeleidigungsklage,
doch wurde Stadtrat Gräf, der die Behauptung,
er habe die Aeußerung gemacht, nicht erwiesen wurde,
freigesprochen. Nach Verkündigung des Urteils
stürzte die Zeugin, die Magd Therese Midegger, auf
Gräf los, beschimpfte ihn und spuckte ihn an; dafür erhielt
sie 12 Stunden Arrest als Disziplinarstrafe....
Stadtrat Gräf war am 21. August 1855 geboren.
Sein Vater war Gastwirt in
Ottakring. Er besuchte die
Volksschule, die Real- und eine Handelsschule und trat, nachdem
er einige Jahre außer Hause in Stellung war, im
Jahre 1875 in das Geschäft des Vaters ein, das er 1880
übernahm. Im Jahre 1885 wurde er in die Vertretung
der früheren Gemeinde
Ottakring gewählt und war seither
unermüdlich im Interesse des Bezirkes tätig. An all dem,
was seit damals für den Bezirk geschaffen wurde, hatte er
lebhaften Anteil. Vieles ist seiner Mitwirkung, seiner
Tatkraft zu danken. Seit der Vereinigung von
Ottakring
mit Wien war er Vertreter des dritten Wahlkörpers im
Gemeinderate, wo er sich der damaligen Opposition anschloß.
1895 wurde er in der bürgermeisterlosen Zelt, in
der Aera Friebeis, zum Beirat ernannt, 1896 in den
Stadtrat gewählt, dem er bis jetzt angehörte. Seit dem
unglücklichen Prozeß war er vom Stadtrat beurlaubt und
eine Zeitlang schwer krank.
Gräf war eine konziliante Natur; er sah sein« Hauptaufgabe
darin, für den Bezirk, der ihn in den Gemeinderat
entsendet hatte, zu wirken. Er tat dies mit Erfolg, und gar
manche Regulierung, manche Parkanlage und sonstige
Verbesserungen und Verschönerungen entstammten seiner
Einwirkung. Er wurde vom Gemeinderate schon im Jahre
1903 für sein öffentliches Wirken durch die Verleihung des
taxfreien Bürgerrechtes ausgezeichnet.
Wien, 26. November.
Neues Wiener Journal vom 29.11.1908, Seite 9:
(Das Leichenbegängnis des Stadtrates Ferdinand Gräf.)
Unter großer Beteiligung wurde gestern nachmittag die
sterbliche Hülle des auf so tragische Weise aus dem Leben geschiedenen
Stadtrates Ferdinand Gräf zu Grabe getragen. Unter
den Trauergästen bemerkte man u. a.: Landmarschall Prinzen
Liechtenstein, die Vizebürgermeister Dr. Neumayer, Dr. Porzer
und Hierhammer mit sämtlichen Stadträten und fast
allen christlichsozialen Gemeinderäten, die liberalen Gemeinderäte
Allmeder, Fuchsik und Seiler, viele Abgeordnete,
Bezirksvorsteher, die Obermagistratsräte Appel und
Asperger, Landesbaudirektor Berger, Direktor Spängler, Direktor
Roßner ec. Am Grabe hielt Vizebürgermeister Dr. Porzer dem
Verstorbenen einen Nachruf, in dem er unter anderem sagte:
„Den Schild deiner Ehre blank zu erhalten, war das Bestreben
deines ganzen Lebens, und in diesem krankhaft gesteigerten
Bestreben hast du den Tod gefunden. Sei
die Erde dir leicht! Mögest du im Grabe Ruhe und Frieden
finden, den dir die Welt nicht geben konnte!" Bürgermeister
Dr. Lueger, welcher zur Vermeidung einer neuerlichen Erkältung
am Leichenbegängnis nicht teilgenommen hatte, war bereits
mittags im Trauerhause erschienen, um der Witwe sein Beileid
auszusprechen.
Weiters im Grab bestattet:
Emmerich Gräf, * 18.06.1892, † 07.12.1960, Bestattungsdatum: 12.12.1960
Eleonore Gräf, * 12.01.1903, † 17.12.1985, Bestattungsdatum: 30.12.1985
Ferdinand Gräf, * 22.09.1918, † 11.09.1988, Bestattungsdatum: 20.09.1988
Leopoldine Gräf, * 31.10.1885, † 13.01.1926, Bestattungsdatum: 15.01.1926
Karl Gräf, * 19.08.1881, † 07.01.1929, Bestattungsdatum: 10.01.1929
Emilie Gräf, geb. Wagner, * 23.03.1862, † 16.08.1929, Bestattungsdatum: 20.08.1929
Hermine Rosa Maria (Herma) Gräf, geb. Giessel, * 17.12.1922, † 08.02.2014, Bestattungsdatum: 26.02.2014
Raimund Badelt, * 30.03.1876, † 09.03.1952, Bestattungsdatum: 14.03.1952
Emilie Badelt, geb. Gräf, * 09.08.1882, † 10.10.1951, Bestattungsdatum: 15.10.1951
Dem Gedenken an die Gefallenen:
Ferdinand Gräf, vermutlich Gefr., IR. Nr. 4, 15. Komp.,* 28.09.1888, † 14.xx.1914
Karl Gräf, * 23.03.1916, † 23.08.1942
Die Grabstelle (auf Friedhofsdauer) befindet sich am
Ottakringer Friedhof (Gruppe: 5, Reihe: G1, Nummer: 10).
Quelle: Text: www.nikles.net, Bilder: www.nikles.net, Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) vom 26.11.1908, Seite 58, Neues Wiener Journal vom 29.11.1908, Seite 9,
Unbekannt, 16., Ottakringer Straße 205 - Gasthaus Gräf ("Ferd. Gräf's Restauration) in Ottakring, Ansichtskarte, 1910 (Gebrauch), Wien Museum Inv.-Nr. 244018, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/1073825/),
Verlag des Ottakringer Verschönerungs-Vereines (Hersteller), "Ottakring.", 1901 (Gebrauch), Wien Museum Inv.-Nr. 245308, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/625801/) (Schrift entfernt).