Liesing war bis 1938 eine eigenständige Gemeinde mit Stadtrecht und ist heute ein Stadtteil Wiens im gleichnamigen 23. Wiener Gemeindebezirk Liesing sowie eine der 89 Wiener Katastralgemeinden.
Geographie: Die heutige Katastralgemeinde Liesing
nimmt eine Fläche von 273,82 Hektar ein.
Der Ort liegt beiderseits am gleichnamigen Fluss
Liesing an der
südlichen Stadtgrenze Wiens zu Perchtoldsdorf, wo sich auch
der Friedhof Liesing befindet. Flussaufwärts jenseits des
Aquädukts Liesing liegt der Wiener Bezirksteil
Rodaun, flussabwärts der
Wiener Bezirksteil
Atzgersdorf.
Die Geologie Liesings wird großteils zur erdgeschichtlichen
Epoche des Holozäns gerechnet.
Geschichte: Am 1. November 1002 schenkte der
deutsche König Heinrich II. Markgraf Heinrich I. eine
Besitzung zwischen der Dürren Liesing und der Triesting.
Dies ist die älteste bekannte Königsschenkung an die
Babenberger. In diesem Jahr wurde erstmals der Fluss
Liesing als Liezniccha
erwähnt. Dieser Name leitet sich aus dem slawischen „Lieznička”
ab und bedeutet Waldbach. Der Ort selbst entstand vermutlich
um diese Zeit, wurde jedoch sowohl während der ersten als
auch während der zweiten Wiener Türkenbelagerung schwer
zerstört und musste wieder neu besiedelt werden. In der
Folgezeit entwickelte sich Liesing bald zu einem der
wichtigsten Orte am Fluss. Bis zum Beginn des 19.
Jahrhunderts war der Ort jedoch noch weitgehend
landwirtschaftlich geprägt.
Mit der Industrialisierung kam ein großer wirtschaftlicher
Aufschwung für Liesing. So wurde beispielsweise im Jahre
1838 die Brauerei Liesing im Ort ansässig, die im dritten
Viertel des 19. Jahrhunderts schrittweise vergrößert wurde.
Dazu gehörte auch die ehemalige Liesinger
Brauhaus-Restauration, die 1898 vom Büro Fellner & Helmer
geplant wurde. Die Werkswohnhäuser der Anlage entstanden von
1900 bis 1914 in unmittelbarer Nähe der Brauerei nach Plänen
von Leopold Simony. Im Siedlungsbau zu Anfang des 20.
Jahrhunderts ist die heute noch bestehende Wohnkolonie
Liesing erwähnenswert, die 1911/12 in der Elisenstraße im
Westen des Orts nach Plänen von Hubert Gessner angelegt
wurde.
Am 2. Oktober 1905 wurde Liesing zur Stadt erhoben. An der
Stelle der ehemaligen Steg- oder Färbermühle wurde ein
Rathaus, das heutige Amtshaus Liesing, errichtet.
Vom 12. Oktober 1924 bis zum 5. September 1925 bestand die
Stadt aus zwei Gemeinden: Alt-Liesing, nach einer
Namensänderung ab 2. Mai 1925 wieder Liesing, und als
zusätzliche eigene Ortsgemeinde Neu-Liesing rund um das im
Besitz der Stadt Wien stehende Versorgungshaus im Schloss
Liesing. Mit dieser Änderung, die ähnlich auch in anderen
Gemeinden (Ybbs, Mauerbach und St. Andrä an der Traisen)
durchgeführt wurde, wurden Anstalten, die der Gemeinde Wien
zuzurechnen waren, aus den (damals) niederösterreichischen
Gemeinden herausgelöst, was (neben Änderungen im
Steueraufkommen) bewirkte, dass sich die Zahl der
Gemeinderatsmandatare in Liesing um zwei verringerte. Das
Vermögen der bisherigen Gemeinde war nach dem Gesetz
vollständig der Gemeinde Alt-Liesing verblieben. Die
Regelung bewährte sich nicht. Der Rechenschaftsbericht der
Stadt Liesing 1918–1928 beschreibt die Situation mit „Schon
im nächsten Jahr wurde dieses unnatürliche Gebilde, das aus
einer Verlegenheit geboren wurde, wieder beseitigt.“ Die
nach der Wiedervereinigung fällig gewordenen neuen
Gemeinderatswahlen wurden nicht abgehalten, sondern bis zu
den nächsten ordentlichen Wahlen verschoben.
In den Jahren um 1920 war eine Zusammenlegung der Gemeinden
Atzgersdorf und Liesing geplant, um 1929 war die Schaffung
einer größeren Gemeinde aus Atzgersdorf, Erlaa, Liesing und
Siebenhirten in Diskussion. Diese Großgemeinde hätte 23.000
Einwohner gehabt und allein durch den Zusammenschluss wären
ihr nach den damals geltenden Finanzgesetzen
(Finanzausgleich) jährlich 116.000 Schilling damaliger
Kaufkraft zusätzlich zur Verfügung gestanden.“
Mit dem Gesetz vom 1. Oktober 1938 nach dem Anschluss
Österreichs an das Deutsche Reich wurde Wien zu Groß-Wien
vergrößert. Als Zentrum der südlichen Wiener Vororte wurde
die Stadt mit mehreren umliegenden Gemeinden zum 25. Wiener
Bezirk Liesing vereint. Nach Ende des zweiten Weltkriegs
wurde der 25. Bezirk wieder aufgelöst. Liesing verblieb
jedoch per Gesetz aus dem Jahre 1954 mit sieben weiteren
Orten als 23. Wiener Gemeindebezirk Liesing bei Wien.
Im Jahr 1951, bei der letzten in der selbstständigen
Gemeinde durchgeführten Volkszählung, hatte die Stadt 5950
Einwohner. Heute leben rund 6500 Menschen im Bezirksteil
Liesing.
Die ehemalige Stadt Liesing ist heute bereits größtenteils
mit den ehemaligen Umlandgemeinden verschmolzen und weist
ein größeres Industriegebiet auf. 2006 wurde mit dem Abbruch
des städtebaulich dominanten Geländes der Brauerei Liesing
begonnen. Nach Plänen von Coop Himmelb(l)au entstand hier in
den Jahren 2006 bis
2010 ein neuer Stadtteil mit Wohnungen, Arbeits- und
Freizeitstätten.
Kultur und Sehenswürdigkeiten: Das Schloss Liesing
wurde während der zweiten Wiener Türkenbelagerung im Jahr
1683 nahezu komplett zerstört. Einer Sage nach blieb nur der
sich im Schlosspark befindliche Haselnussbaum verschont.
Diese Sage wurde als Motiv für die Gestaltung des für
Liesing bestimmten Teil des Liesinger Bezirkswappen
verwendet, das einen dreiblättrigen Haselnusszweig mit vier
Früchten über einem lodernden Feuer und der Jahreszahl 1683
zeigt. Links und rechts dieser Zeichnung finden sich
außerdem ein Winzerkorb und ein goldenes Kammrad auf blauem
Grund. Nach der Türkenbelagerung wurde das Schloss teilweise
wieder hergestellt und Anfang des 18. Jahrhunderts
ausgebaut. Heute wird es als Pflegeheim der Stadt Wien
genutzt.
Mit dem 1930/31 nach Plänen von Ernst Plischke erbauten
Arbeitsamt Liesing befindet sich ein „zukunftsweisendes
Hauptwerk der Moderne in Österreich“ im Bezirksteil. Die
heutige Pfarrkirche Liesing des Architekten Robert
Kramreiter wurde von 1953 bis 1955 erbaut. Im Westen des
Bezirksteils realisierte der Architekt Roland Rainer von
1961 bis 1963 die bereits 1956 geplante Siedlung Maurerberg
nach dem Konzept des urbanen Flachbaus.
Wirtschaft und Infrastruktur: Unter den Industriebauwerken in Liesing gibt es einige, die auf das 19. Jahrhundert oder den Beginn des 20. Jahrhunderts zurückgehen. Dazu gehören die um 1870/80 erbaute Feinoptik-Fabrik Ewald Baumgartner und die Ofenfabrik Meller, die um 1889 an Stelle der wahrscheinlich seit dem 16. Jahrhundert bestehenden Dorotheermühle errichtet wurde und die im Lauf ihrer Geschichte auch als Rüstungs- und als Motorenfabrik Verwendung fand. Die ehemalige Akkumulatoren-Fabrik AG Liesing in der Siebenhirtenstraße wurde 1917 von Hubert Gessner entworfen. In ihrem Eingangsbereich befindet sich ein Freiheitskämpferdenkmal aus dem Jahr 1950.
Bahnhof Wien Liesing: Der Bahnhof Wien Liesing an
der Südbahnstrecke ist bis heute ein wichtiger
Verkehrsknotenpunkt im Gemeindebezirk. Hier zweigt die
Kaltenleutgebener Bahn ab, weitere mittlerweile eingestellte
und weitgehend abgetragene Abzweigungen oder Anschlussgleise
führten ab 1882 in die Brauerei Liesing, in das
Industriezentrum Liesing („Schleppbahn Liesing“), in ein
Baustoffwerk und eine Kohlenhandlung. Mehrere Wiener
Autobuslinien und Busverbindungen in den Wienerwald (Gießhübl,
Wolfsgraben, Breitenfurt, Sulz) besitzen hier ihre
Endstation. Zu den wichtigsten Straßen im Bezirksteil gehört
die Breitenfurter Straße (B 12).
Das Postamt am Liesinger Platz wurde 1931 im expressiven
Stil erbaut. Der Architekt Hubert Maresch plante das 1909
erbaute Gebäude des Österreichischen Turnerbunds –
Turnverein Liesing, nachdem er in Liesing bereits 1904 das
Miethaus „Fanny-Hof“ entworfen hatte. Das Gebäude der
Gebietskrankenkasse in der Dr.-Neumann-Gasse wurde 1930 nach
Plänen von Johann Rothmüller und Leopold Schumm errichtet.
Das 1924/25 erbaute Liesinger Bad ist ein Werk Alfons
Hetmaneks.
Die Volksschule in der Pülsgasse 28 wurde 1908/09 als
Kaiser-Jubiläums-Schule in Heimatstilformen errichtet. Die
Kooperative Mittelschule in der Dirmhirngasse ist ein von
1991 bis 1994 erbautes Werk des Architekten Boris Podrecca.
Der Sitz des für den 13. und 23. Gemeindebezirk zuständigen
Inspektionsbezirks des Wiener Stadtschulrats befindet sich
ebenfalls in der Dirmhirngasse, auf Nummer 29, in einem 1888
erbauten Gebäude der Architekten Julius Fröhlich und Josef
Maresch, das früher als Mittelschule Verwendung fand.
Quelle: Text: Wikipedia, Bilder: gemeinfrei, Thomas Ledl unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 at, Priwo, gemeinfrei.
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Günter Nikles
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