Person - Andreas Zelinka
Andreas Zelinka, Hof- und Gerichts-Advocat, * 23. Februar 1802 in Wischau, Mähren, † 21. November 1868 in Wien, Bestattungsdatum: 21.10.1897, war von 1861 bis 1868 Bürgermeister von Wien.
Leben: Andreas Zelinka besuchte das Gymnasium und Philosophicum in Brünn.
Von 1821 bis 1825 studierte er Jus an der
Universität Wien,
1829 promovierte er zum Dr. jur. Ab 1831 war Andreas Zelinka Sanitätskommissär, dann als Rechtsanwalt tätig.
1848 wurde er in den Wiener Gemeinderat gewählt, dessen Vizepräsident er 1849 wurde.
1850 erhielt er den Franz-Joseph-Orden.
Von 1861 bis 1868 war er Bürgermeister von Wien, ab 1862 auch Abgeordneter zum Landtag
von
Niederösterreich und ab 1867 Mitglied des
Herrenhauses.
In seine Zeit fiel die Planung der I. Wiener Hochquellenwasserleitung,
der
Donauregulierung und des
Wiener Zentralfriedhofs. 1865 wurde die
Ringstraße teilweise eröffnet. Am 23. August 1863 eröffnete er das Kaiser-Geburtstagsfest, das erste Volksfest im
Wiener Prater.
Sein Jahresgehalt von 12.000 Gulden gab er zur Gänze für Almosen und Spenden aus. Von den Wienern wurde er liebevoll Papa Zelinka genannt.
Sein Grab befindet sich am
Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 14A, Nummer 16).
Posthume Ehrungen:
Im Jahr 1869 wurde in Wien
Innere Stadt (1. Bezirk) die Zelinkagasse nach ihm benannt.
Im
Wiener Stadtpark wurde ihm zu Ehren das vom Bildhauer Franz Pönninger
gestaltete
Andreas Zelinka Denkmal in Form einer klassizistischen Bronzebüste errichtet.
Neue Freie Presse vom 23.11.1868, Seite 1 und 2:
Bürgermeister Dr. Andreas Zeliuka.
Wien, die Reichshauptstadt, hat einen schmerzlichen Verlust
zu beklagen. Bürgermeister Dr. Andreas Zelinka,
am 31. October ohne irgend eine wesentliche äußere Veranlassung
an einer Lungenentzündung erkrankt, erlag Samstag
derselben nach schmerzlichen Leiden. Vor wenigen Wochen noch
im Vollgenusse seiner Gesundheit stehend, seine Pflichten als
Mitglied des
Herrenhauses wie als Vorstand der ersten Commune
des Reiches eifrig erfüllend, traf ihn neuerdings ein
Leiden, welches schon im Jahre 1864 sein Leben schwer bedroht
hatte. Wiewol man in den letzten Tagen sich der freudigen
Hoffnung auf eine dauernde Besserung seiner Krankheit hingab,
so reichte doch seine Kraft nicht mehr aus, um die heftig auftretende
Krankheit zu besiegen; es war ihm nicht mehr beschieden,
im Kreise seiner Freunde ein so schönes Fest der Genesung
wie vor vier Jahren zu feiern, sondern nach kaum einem
Jahre folgte er seiner Frau ins Grab, deren Tod eine unersetzt
gebliebene Lücke in seinem Leben hervorgebracht hatte. Schwer
ist sein Verlust in einer Zeit, in der die Lösung so großartiger Aufgaben
für Wien herantritt, in einer Zeit, worin ein Mann von
populärer Geltung in die Wagschale fällt und der Verein so
vorzüglicher Bürgertugenden, wie sie der Dahingeschiedene besaß,
dem Vaterlande nnd seiner zweiten Vaterstadt noch große
Dienste zu leisten versprach. Sein loyaler, aber auch unabhängiger
Charakter, seine Vaterlandsliebe und seine freisinnige
Haltung, seine strenge Rechtlichkeit und Gewissenhaftigkeit, seine
unerschöpfliche Herzensgüte, welche er in ernsten Tagen bewahrt,
erwarben ihm in allen Kreisen der Bevölkerung hohe
Achtung und lebhafte Sympathien.
Andreas Zelinka, der Sohn des Oberamtmannes der
Herrschaft Wischau, wurde im Jahre 1802 zu Wischau in
Mähren geboren. Nachdem er zu Brünn und Olmütz die
Gymnasial- und philosophischen Studien zurückgelegt, ging er
nach Wien, absolvirte hier, mit Sorgen und Entbehrungen für
seine Existenz kämpfend, zwischen den Jahren 1820) und 1826
die juridischen Studien und betrat hierauf noch vor dem im
Jahre 1828 erlangten Diplome eines Doctors der Rechte die
juristische Praxis. Durch Geschicklichkeit in der Behandlung
von Fragen, welche die Patrimonial-Verhältnisse berührten,
wußte er sich so rasch Geltung zu verschaffen, daß er bereits
im Jahre 1827 die Stelle eines Justizverwalters der Herrschaften
Konradswörth (Starhemberg'sches Freihaus), der gräflich
Taasse'schen Herrschaft Liesing, im Jahre 1833 jene eines
politischen Verwalters der erwähnten Herrschaft und später
auch jene eines Oberbeamten der Herrschaft Hetzendorf einnahm.
In dieser Eigenschaft legte er durch seine vielfältige
Berührung mit allen Behörden und die Verschiedenartigkeit
der Geschäfte den Grund zu seiner späteren ausgebreiteten
Kenntniß der Localverhältnisse Wiens. Auf Anempfehlung des
Grafen Taasse im Jahre 1832 zum Hof- und Gerichts-Advocaten
und im Jahre 1835 zum Wechselnotar ernannt, hatte
er in fachmännischen Kreisen einen vorzüglichen Ruf durch
seine Gesetzeskenntnisse und seine scharfe juristische Denkweise
— in weiteren Kreisen dagegen durch seinen achtungswerthen
Charakter als Rechtsanwalt, durch seinen ausdauernden Eifer
volles Vertrauen. So geschah es, daß er mit allen Kreisen
der Bevölkerung — dem höchsten Adel und den Bürgern —
in enge, vielseitige Berührung trat und deren Verhältnisse und
Bedürfnisse genau zu erforschen vermochte. Sein lebhaftes
Interesse an industriellen und gemeinnützigen Unternehmungen
stellte ihn im Jahre 1843 in die Reihe der Directoren der
Nordbahn und in den Ausschuß der wechselseitigen Renten-
und Lebensversicherungs-Anstalt. Erst im Jahre 1845 gab
er seine Stellung als politischer Beamter der Herrschaft Konradswörth
und Hetzendorf vollständig auf und widmete sich
ausschließend der Advocatie.
Die Bewegung des Jahres 1848 führte auch Dr. Zelinka
in das öffentliche Leben ein. Ohne unmittelbar an den politischen
Ereignissen sich zu betheiligen, verfolgte er mehr beobachtend
als activ auftretend die freiheitlichen Bestrebungen mit großer
Theilnahme. Zunächst machte er seine administrativen Erfahrungen
und sein praktisches Wissen im Dienste der frei gewordenen
Gemeinde geltend. Er wurde im September 1848
von den Wählern des Kärntnerviertels in den Gemeinde-Ausschuß
gewählt und hatte darin bereits in den Octobertagen
Gelegenheit, seinen Einfluß gegenüber gefährlichen und überstürzten
Beschlüssen geltend zu machen. In der nun folgenden
Periode bis zur Auslösung des Gemeinde-Ausschusses im November
1850 nahm er an allen hervorragenden politischen und
administrativen Fragen großen Antheil. Er gehörte jenem
Kreise von Gemeinderäthen an, welche beschlossen hatten, unter
dem Drucke des Belagerungszustandes die Rechte der Gemeinde
zu wahren, die Bevölkeruug vor Bedrückungen der Militär-Behörden
zu schützen und den Bürgern das vielfach gefährdete
Recht dcr Gemeindevertretung zn sichern. Mit Muth und
Ueberzeugungstreue trat er in den Verhandlungen ungerechten
Forderungen der Militär-Organe entgegen und suchte
namentlich die Gemeinde gegen die ihr aufgebürdete Entschädigung
aller dnrch die October-Ereignisse verursachten Schäden
zu schützen. Ebenso drang er auf das baldige Inslebentreten
einer neuen Gemeinde-Ordnung, war im Jahre 1849 Mitglied
der Commission für die Feststellung eines Entwurfes und drang
auf die Durchführung des Grundsatzes der Interessen-Vertretung.
Auf seinen Antrag wurde auch in die Wahlordnung der
Modus dcr Wahlkörper aufgenommen. Als das neue Gemeindegesetz
vom März 1850 ins Leben trat und in Folge
dessen die Wirksamkeit des Gemeinde-Ansschusses beendet war,
erhielt Zelinka gleichzeitig mit mehreren anderen Gemeinderäthen
als Anerkennung für seine aufopfernde Thätigkeit das
Ritterkreuz dcs Franz-JoseplS Ordens.
Sein entschiedenes, mannhaftes Auftreten in allen die
Gemeinde-Interessen berührenden Fragen, seine ausdauernde,
angestrengte Thätigkeit hatte Zelinka schon im Gemeinde Ausschüsse
zu so bedeutendem Ansehen gebracht, daß er an der
Stelle Stubenrauch's mit der Würde eines Vice-Präsidenten
bekleidet wurde. Bei den Neuwahlen im Herbst 1850 wurde
er auch mit großer Majorität neuerdings in den Gemeinderath
gewählt und von seinen Freunden für den Posten eines
Bürgermeisters in Aussicht genommen. Die Wahl fiel jedoch
nach hartem Kampfe auf den früheren Präsidenten des Gemeinderathes,
Dr. Seiller, worauf Dr. Zelinka nahezu einstimmig
die Stelle eines ersten Vice-Präsidentcn erhielt.
Das Wirken Dr. Zelinka's in der Zeit vom Jahre l85l
bis 1860 war für die Gemeinde von großer administrativer
Bedeutung. Es kam eine Zeit, wo die Regierung die der Gemeinde
kaum gewährte gesetzliche Autonomie wiederholt in wichtigen
Fragen zu beschränken suchte. An der Spitze des Ministeriums
stand ein Mann, der seine liberalen Grundsätze dem
Ehrgeize und der Machtbegierde geopfert, an der Spitze des
Landes ein Bureaukrat als Statthalter, der verächtlich auf die
Leistungen des jungen, erst in der Entwicklung begriffenen
Gemeindewesens herabblickte und mit rauher Hand die schwachen
Keime zu tödten geneigt war, und mit der Leitung der
Polizei war jener Mann betraut, dessen Verfolgungssucht
bis in das innerste Familienleben drang, und der eine
Gefahr für den Staat darin erblickte, wenn die Gemeinde ihre
Feuerspritzen gebrauchte, ohne die Polizei gefragt zu haben.
Die Zeit vom Jahre 1852 bis 1957 war ein steter Kampf
zwischen der Regierung und der Gemeinde, und in diesem
Kampfe stand Zelinka mit großer Entschiedenheit und einem
unerschütterlichen Rechtsgefühle stets auf dem Boden des
Gemeindegesetzes vom Jahre 1850. Von diesem Standpunkte
aus behandelte er die wichtigsten finanziellen Fragen, die
verwickeltsten streitigen Angelegenheiten, und sein Verdienst ist es,
daß die Gemeinde erreichte, was eben damals zu erreichen
möglich war. Schon damals förderte und begrüßte Zelinka
alle Schritte, welche der Stadt einen erhöhten Aufschwung,
den städtischen Anstalten eine der Würde und Intelligenz
der Bewohner, den Fortschritten der Neuzeit entsprechende Verbesserung
verschafften. An den Fragen einer besseren Wasserversorgung,
der Erweiterung der Stadt, der Reform der Volksschulen,
der communalen Wohlthätigkeits-Anstalten und der
Umgestaltung des Marktwesens, welche schon Anfangs der
1850er Jahre Gegenstand der Diskussion waren, nahm
Dr. Zelinka lebhaften Antheil und er war es auch, welcher
die Durchführung der Stadterweiterung durch die Commune
und die Eigenthums-Ansprüche der Stadt auf die Basteigründe
und die Glacis zur Geltung zu bringen bemüht war. Als
Obmann der Finanzsection hielt er im Vereine mit anderen
Gemeinderäthen an einer strengen Oekonomie des städtischen
Haushaltes fest. Noch wollen wir aus diesem Zeitraume erwähnen,
daß er durch den Ausbau der Giebel am
St. Stephansdome
den Anstoß zur Restauration dieses Bauwerks gab
und überhaupt eine seltene Pietät für alle hervorragenden Momente
in der Geschichte Wiens besaß.
Als im Jahre 1861 ein neuer Völkerfrühling in Oesterreich
herangebrochen, vor Allem die alten Gemeinde-Vertretungen
aufgelöst und noch vor Publication der Februar-Verfassung
Neuwahlen ausgeschrieben wurden, trat auch in Wien nach
einer ungemein lebhaften Wahlbewegung ein neuer Gemeinderath
zusammen. Nur wenigen Mitgliedern des alten Gemeinderathes
gelang ee, in die Versammlung gewählt zu
werden; unter diesen befand sich Dr. Zelinka. Andere Aufgaben
hatte zunächst der neue Gemeinderath zu lösen. An
diesen stellte man in liberalen Kreisen die berechtigte Forderung,
eine feste Stütze der Verfassungspartei zu bilden, in allen
politischen Fragen anderen Communen durch eine freisinnige
Haltung mit gutem Beispiele voranzugehen und die Stellung
und Bedeutung Wiens auch in administrativen Fragen von
einem weiteren Gesichtskreise aufzufassen. War es ja nicht
der geringste gegen den alten Gemeinderath erhobene Vorwurf,
daß er sich zum Werkzeuge absolutistischer Gewaltmaßregeln hergegeben,
nie mit einem Worte muthvoll die innere Politik
Bach's bekämpft hatte und den Schutt veralteter Gemeinde-Institutionen fortbestehen ließ.
Zunächst drehte sich im neuen Gemeinderathe der Kampf
um die Person des künftigen Bürgermeisters. Anfangs hatte
Zelinka geringe Aussicht, zu diesem Posten berufen zu werden.
Wiewol er sich in die Reihen der Verfassungspartei gestellt, so
nahm man doch Anstoß, weil er in politischen Fragen keine
hervorragende Stellung eingenommen und seine eigenartige Persönlichkeit,
seine rauhe Außenseite, wie überhaupt seine ganze
unbedeutende Erscheinung kein Vertrauen einflößte, daß er den
Posten eines konstitutionellen, der Würde und Repräsentanz
der Hauptstadt genügenden Bürgermeisters auszufüllen im
Stande sein werde. Im entscheidenden Augenblicke hielt man
es aber doch für bedenklich, einen Mann an die Spitze der
ersten Commune des Reiches zu stellen, welcher keine administrative
Routine, keine genaue Kenntniß der Localverhältnisse
besaß. Damit stiegen auch die Chancen für Zelinka's Wahl,
und da im neuen Gemeinderathe kaum eine Persönlichkeit vorhanden
war, welche sich mit diesem zu messen vermocht hatte,
so geschah es, daß am 16. Juni 1861 Dr. Zelinka als
Bürgermeister aus der Wahlurne hervorging. Besonders befriedigt
über dieses Ergebniß war weder der Gemeinderath
selbst, noch die Bevölkerung; man betrachtete die Wahl als
eine unvermeidlich gewesene Nothwendigkeit; warme, aufrichtige
Sympathien kamen Zelinka bei seinem ersten Auftreten
nicht entgegen.
Bürgermeister Dr. Zelinka mag diese Erscheinung nicht
entgangen sein, und sie trug vielleicht nicht wenig dazu bei,
daß er aus seiner Persönlichkeit heraustrat und nun seine
volle Kraft einsetzte, sich das ungetheilte Vertrauen in allen
Kreisen zu erwerben. Gegenüber dem Gemeinderathe nahm er
eine Stellung ein, welche ihm rasch die aufrichtige Zuneigung
der einflußreichsten Mitglieder erwarb. Sorgfältig vermied er
es, dessen Wirkungskreis zu schmälern; mit haarscharfer
Gewissenhaftigkeit betrachtete er sich nur als Vollstrecker der Beschlüsse,
ohne den Druck seines Einflusses oder seiner Machtbefugnisse
in Anwendung zu bringen. Mit möglichster Unparteilichkeit
suchte er allen Parteien gerecht zu werden. Wiewol
er dem Centrum und der Rechten seine Berufung verdankte,
so vermied er es doch, sein Amt als Parteimann zu führen,
sondern stellte sich auch in manchen Fragen auf den Standpunkt
der Linken, wenn diese eine — nach seiner Anschauung
gerechtere und zweckmäßigere Lösung anstrebte. In seinem mittelbaren
oder unmittelbaren Verkehre mit der Bevölkerung bewies
er große Freundlichkeit, eine sorgfältige Beachtung aller
zu seiner Kenntniß gelangenden Wünsche und Beschwerden
und namentlich gegenüber den Armen eine unerschöpfliche Herzensgüte.
Aber auch seine Haltung nach Oben hin zeigte,
daß er mit klarem Verstände und richtigem Tacte die Verhältnisse
erfaßte. So anhänglich und treu er dem Kaiser
und seiner constitutionellen Regierung war, bewahrte er doch
die volle Unabhängigkeit des Charakters und war sich stets
bewußt seiner Pflichten gegen die Bürgerschaft. Sein Freimuth
und seine Entschiedenheit aus der Kriegszeit 1866 bleibt
ihm unvergessen und hat unter allen Parteien seinem Ansehen
Bahn gebrochen.
Mit unermüdeter Thätigkeit griff er ein in die großen
Unternehmungen der Gemeinde, in deren Bestrebungen zur
Hebung der Bildung, zur Verbesserung des Gesundheitsstandes
der Bevölkerung, zur Verschönerung und großartigen Entwicklung
der Stadt. Es waren für ihn Tage der reinsten Freude,
als die
Ringstraße vollendet, der
Stadtpark eröffnet, den
armen Waisen und Armen neue Asyle erbaut, die Schulen vermehrt
wurden. Wie sehnsüchtig sah er dem Zeitpunkte entgegen,
in dem der erste Spatenstich zum Baue der neuen
Wasserleitung gemacht werden konnte?
Ueberzeugt, daß nur auf dem Boden der Freiheit das
Reich wieder zu neuer Blüthe sich emporschwingen könne, die
Zukunft Wiens gesichert war, hielt er unerschütterlich an der
Februar-Verfassung fest und beklagte deßhalb auch tief die Sistirung
der Verfassung. Sein patriotisches Herz empfand
schwer das Unglück von Königgrätz. Als in diesen traurigen
Tagen Wien die schreckliche Gefahr einer feindlichen Besetzung
bedrohte, die Leidenschaften in der Gemeindevertretung hoch
wogten und überstürzte Beschlüsse zu besorgen standen, eilte
Dr. Zelinka an der Spitze einer Deputation zum Kaiser, um
diesem die ernste Lage des Reiches und seiner Hauptstadt in
freimüthigen Worten vor Augen zu halten, gegen die Fortsetzung
des Krieges und die Beibehaltung des Ministeriums
eindringlich zn sprechen und zu bitten die Loyalität und Treue
der Bürger Wiens nicht aus die schwerste Probe zu stellen.
In dieser bedrängten Situation hatte der Bürgermeister einen
politischen Muth, sein Pflichtgefühl glänzend bewährt; sie
gaben ihm gerechten Anspruch auf die Dankbarkeit der Bürger.
Die Debatte vom 19.9.1867, Seite 3:
[† Monika Zelinka.] Dr. Andreas Zelinka,
k. k. Hof- und Gerichtsadvokat, Bürgermeister der
Reichshaupt- und Residenzstadt Wien, gibt Nachricht
von dem ihm auf das Tiefste betrübenden Hinscheiden
seiner innigst geliebten Gattin, der Frau
Monika Zelinka, gebornen Schönbichler, welche in
Mödling am 16. September um 11 Uhr Nachts,
versehen mit den beiligen Sterbesakramenten, im
61 Jahre ihres Lebens nach langwierigem und
schmerzlichen Leiden selig in dem Herrn entschlafen
ist. Die irdische Hülle der Verblichenen wird Donnerstag
um halb 4 Uhr Nachmittags in der Pfarrkirche
zu St. Othmar in Mödling feierlich eingesegnet
und sodann nach dem Wunsche der Verstorbenen
auf dem
Wiener Friedhofe vor der Hundsthurmer Linie
im eigenen Grabe zur Ruhe bestattet
werden. Die heiligen Seelenmessen werden Freitag
den 20. d. M. um 10 Uhr Vormittags zu Wien in
der Pfarrkirche zu St. Othmar in Mödling gelesen
werden.
Morgen-Post vom 20.9.1867, Seite 2:
Das Begräbniß der Frau Monika Zelinka.
Eine der edelsten Frauen Wiens, eine stille Wohlthäterin so
vieler Armen, ist gestern unter ungewöhnlich grosser Theilnahme
zur ewigen Ruhr bestattet worden. Die Gemalin unseres verehrten
Herrn Bürgermeisters hätte vermöge der Stellung ihres Gatten
und ihres Reichthumes eine hervorragend glänzende Rolle in der
Residenz spielen können, aber sie zog es vor, im engeren Kreise
zurückgezogen zu leben und nur mit dem Herzen der großen Welt
anzugehören, wo sie die Armuth in der Hütte aufsuchte und den
Verzweifelnden Trost und Hilfe brachte. Unter den Tausenden,
welche gestern auf dem
Friedhofe vor der Matzleinsdorfer Linie
der Leichenfeier beiwohnten, gab es Viele, in deren Augen Thränen
der aufrichtigsten Trauer perlten, Thränen, die für eine Mutter der Nothleidenden flossen.
In Mödling in der Villa des Herrn Burgermeisters lag die
verehrte Todte in einem mit vierundzwanzig Kerzen erhellten
Trauergemach, im prachtvollen Metallsarge, unter einem Baldachin
aufgebahrt. Als wir gestern Nachmittags daselbst erschienen,
fanden wir den Sarg bereits geschlossen, die Gemächer des Hauses
und den Hofraum mit Trauergästen erfüllt. Unter diesen bemerkten
wir die Vertreter der Eisenbahngesellschaften, für die Westbahn.
Se. Exzellenz den Herrn Grafen Wickenburg, die Direktoren
und Beamten der Nordbahn, bei welcher Herr Dr. Zelinka
ebenfalls die Stelle eines Direktors bekleidet. Zahlreich waren die
Mitglieder des Gemeinderathes mit dem Herrn Bürgermeister-Stellvertreter
Dr. Felder erschienen, ebenso die städtischen Beamten,
wovon zwölf mit Florschärpen bestimmt waren, neben dem
Trauerwagen Fackeln zu tragen.
Innige Theilnahme erregte das Aussehen des Herrn Bürgermeisters,
der punkt halb 4 Uhr in Begleitung seines Neffen
und des Herrn
Dr. Felder aus dem Hause wankte und tief ergriffen
zum Leichenwagen trat, worauf der Zug sich in Bewegung
setzte. Ohne Musik, aber nichts destoweniger feierlich bewegte sich
der Kondukt zur Pfarrkirche, die im Inneren mit Fahnen und
Blumen reich geschmückt war. Wie wir schon gestern gemeldet,
hatte die Entreprise des pompes funébres die Bestattung ohne
überflüssiges Gepränge zu besorgen und sie entledigte sich dieser
Aufgabe in einer Weise, die allgemein befriedigte. Die Bewohner
von Mödling bewundertcn den prachtvollen Todtenwagen und die
schön gekleideten Diener, überhaupt das ganze Arrangement, welches
zur Erbauung stimmte. Die Einsegnung fand unter den ergreifenden
Tönen eines mit Instrumental-Begleitung vorgetragenen
Choralgesanges statt. Nach der Einsegnung nahm der Leichenzug
den Weg zur Eisenbahn, wo ein Separatzug den Sarg
und die Leidtragenden aufnahm. Um halb 5 Uhr langte derselbe
aus der Station
Matzleinsdorf an, von wo aus bis zum
Hundsthurmer Friedhof
eine grosse Volksmenge Spalier bildete.
Die Entreprise des pompes funébres hielt hier einen
zweiten vierspannigen Todtenwagen und überdies für den Herrn
Bürgermeister einen prachtvollen, mit zwei Rappen bespannten
Trauerwagen in Bereitschaft. Der Kutscher und die zwei Diener
mit schwarzen Degen waren in eine geschmackvolle Trauerlivrée
gekleidet. In diesem Wagen fuhr der Herr Bürgermeister
vom Bahnhof zum Friedhof. Daselbst hatte der Gemeinderath
Herr Nikola ein sehr sinnreiches Arrangement getroffen. An
der Friedhofspforte standen die städtischen Waisenhauskinder mit
der umflorten Fahne und bis zum Grabe bildeten die Männer des
Feuerwehrkorps und die städtischen Scardiener Spalier. Das einfache
Grab, das Frau Monika Zelinka als die Ruhestätte ihrer
Mutter auch für sich erwählt, war mit Blumengewinden und exotischen
Gewächsen lieblich umrankt.
Auf dem Grabsteine stehen die Worte: Theresia Schönbichler, geborne Marian. Geboren am 22. September 1784.
Gestorben am 7. Juni 1854. Frau Schönbichler war eine
der geistreichsten Frauen Wiens und als Wohlthäterin ebenso
geliebt wie ihre Tochter. Beide sind nun wieder vereint. Friede ihrer
Asche.
Die Leichenfeier auf dem Friedhof war tief ergreifend. Die
Waisenkinder eröffneten den Leichenzug, ihnen folgten die Leidtragenden
und nach diesen kam der Sarg, von dreißig Dienern der
Entreprise des pompes funébres theils getragen, theils mit Fackeln
begleitet. Hinter dem Sarge schritt die Geistlichkeit, Herr Pfarrer
Zeinlhofer von Margarethen und noch vier Priester. Der
Herr Bürgermeister ging nach diesen, auf die ihn begleitenden
Herren gestützt, mühsam kämpfend, um seinen Schmerz zu unterdrücken.
Vor dem Grabe war ein Raum frei gehalten, wo die Mitglieder
des Mannergesangsvereines standen. Diesen gegenüber stellten
sich die Waisenkinder auf und in der Mitte wurde der mit Kränzen
reich bedeckte Sarg niedergesetzt. Sodann stimmten die Sänger
den Trauerchor: „Am Grabe" von Graun an, worauf die
Einsegnung erfolgte.
Ein erschütternder Moment war es, als nun das Bahrtuch
vom Sarge genommen, dieser zum Grabe getragen und in
die Erde versenkt wurde. Die Sänger ließen das herrliche Lied:
„Die letzte Treue" von A. M. Storch ertönen.
In manches Mannerauge traten in diesem Augenblicke Thränen
und der Herr Bürgermeister? — Länger konnte er seine
Empfindung des tiefsten Herzeleides nicht bemeistern. Die Augen
mit beiden Händen bedeckend, wandte er sich vom Grabe seiner
treuen Lebensgefährtin hinweg und ein rührendes Schluchzen
wurde laut, ein Seufzer des tiefsten Schmerzes entwand sich seiner Brust.
Mit dem Vertheilen von Bouqets an die Sänger nahm die
Leichenfeier ein Ende, die nach dem einfachen Sinne der theuren
Todten prunklos war, aber einen desto tieferen Eindruck auf die
Trauergäste gemacht hat.
Wiener Zeitung vom 17.2.1897, Seite 5:
(Ehrengrab.) Der Wiener Stadtrath hat in
seiner heutigen Sitzung über Antrag des Herrn Vicebürgermeisters
Dr. Neumayer beschlossen, für die Beisetzung
der Leichenreste des ehemaligen Bürgermeisters
Dr. Andreas Zelinka und seiner Gattin Monica
ein Ehrengrab auf dem Centralfriedhofe zu widmen.
Reichspost vom 23.10.1897, Seite 4:
Wiederbestattung des Bürgermeisters Dr.
Zelinka. Gestern Vormittags fand die Exhumirung
der Leiche des am 2. November 1868 verstorbenen
Bürgermeisters der Stadt Wien, Dr. Andreas
Zelinka, sowie seiner Gattin Monika und deren
Ueberführung in das vom Gemeinderathe gewidmete
Ehrengrab auf dem
Centralfriedhofe statt. Vor 9 Uhr
hatten sich die beiden Neffen des Verewigten, k. k.
Notar Dr. Theodor Zelinka und Rechtsanwalt Alois
Leo Fenz mit ihren Gattinnen, der Bezirksvorsteher
Schwarz von Margarethen, dessen Stellvertreter Palissa,
Bezirksausschuß Kalous, Stadtphysikus Stellvertreter
Dr. Löffler u. A. am
Hundsthurmer Friedhofe eingefunden.
Nach Eröffnung der Gruft wurden die
Särge gehoben und die Gebeine Dr. Zelinka's und seiner
Gattin in einen Metallsarg gebettet, dieser hierauf geschlossen,
auf einen beigestellten Galaleichenwagen gehoben,
mit Kränzen geschmückt und auf den
Centralfriedhof
überführt. Dortselbst hatten sich vor Eintreffen des
Leichenzuges versammelt: Bürgermeister
Dr. Lueger,
Vicebürgermeistcr Strobach; die Stadträthe
Schuh, Braun, Weitmann, Wessely
und
Rissaweg; die Gemeindcräthe Zifferer,
Obrist; die Bezirksvorsteher Weidinger
(Neubau), Hirsch (Simmering); Magistratsdirector
Tachau, Oberbuchhalter Nelböck u. A. Gemeinderath
Vogler hatte sich krankheitshalber entschuldigt.
Als der Leichenzug an dem Portale des
Centralfriedhofes hielt, wurde der Sarg abgehoben
und die sämmtlichen Anwesenden, mit
Dr. Lueger an
der Spitze, geleiteten den Sarg zum Ehrengrabe, das
sich an jenes des k. k. Hofopern-Kapellmeisters Ludwig
Rotter anreiht. Hier wurden die sterblichen Ueberreste
eingesegnet und sodann in die Erde versenkt.
Bürgermeister
Dr. Lueger trat hierauf an das Grab und
hielt ungefähr folgende Rede:
Hochgeehrte Kollegen! Sehr geehrte Frauen und
Herren! Ich verdanke es nur der Verständigung seitens des
Herrn Bezirksvorstehers Schwarz, daß am heutigen Tage
eine Feier stattfindet, an welcher nach meiner innersten
Ueberzeugung gewiß die gesammte Bevölkerung Wiens theilgenommen
hätte, wenn dieselbe rechtzeitig bekannt geworden
wäre. Klein ist die Zahl Derjenigen, welche sich hier um
das Grab schaaren, welches die Gebeine eines unvergeßlichen
Bürgermeisters umschließen wird. Dr. Andreas Zelinka war
der erste Mann, welcher in der constitutionellen Aera als
Bürgermeister der Stadt Wien gewählt worden ist. Er war
ein Bürgermeister, welcher von Allen geliebt und verehrt
worden ist, welchem die Stadt Wien Vieles zu danken hat
und der auch von der Bevölkerung nicht vergessen ist. Er
liegt nun hier begraben. Bürgermeister Zelinka war ein
Ehrenmann, ihm gebührt daher auch ein Ehrengrab im
vollsten Maße. Die Stadt Wien ist spät daran gegangen,
dem verewigten Bürgermeister Dr. Zelinka eine Dankesschuld
abzutragen, eine Schuld, die schon viel zu lange angestanden
ist. Wir geloben am Grabe Zelinka's, seiner stets dankbar
zu gedenken. Er ruhe in Frieden!
Notar Dr. Zelinka dankte dem Bürgermeister,
dem Stadt- und Gemeinderathe für die Widmung des
Ehrengrabes und die Theilnahme an der heutigen
Leichenfeier und erklärte, daß erst im nächsten Frühjahr
ein Denkmal aus dem Grabe errichtet werde, nachdem
die vorgeschrittene Jahreszeit eine sofortige Herstellung
desselben nicht mehr zulasse.
Weiters im Grab bestattet:
Monika Zelinka, geb. Schönbichler, * 26.10.1806, † 16.09.1867, Bestattungsdatum: 21.10.1897
Quelle: Dieser Text basiert auf dem Artikel
Andreas_Zelinka aus der freien Enzyklopädie
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Bilder: www.nikles.net, Neue Freie Presse vom 23.11.1868, Seite 1 und 2,
Die Debatte vom 19.9.1867, Seite 3,
Morgen-Post vom 20.9.1867, Seite 2,
Wiener Zeitung vom 17.2.1897, Seite 5,
Reichspost vom 23.10.1897, Seite 4 und gemeinfrei.