Person - Gina Apponyi de Nagy-Appony
Gina (Djina) Apponyi de Nagy-Appony, Gräfin, geb. Eugenia Sophie Kindes-Germanogar (nach anderen Quellen zufolge: Eugenia Lindes), * 27.01.1888 in Saint Petersburg, Russland, † 19.04.1931 in Wien, Bestattungsdatum: 22.04.1931.
Gina Apponyi und ihre Schwester zählten zu den beliebesten Mitgliedern der St. Petersburger Gesellschaft.
Der Vater war Gründer und Präsident der russischen Bank für auswärtigen Handel.
Die zwei Brüder der Gräfin wurden beim Umsturz in Russland durch Bolschewiken ermordet, sie und ihre Schwester Vera konnten fliehen.
Das einst große Vermögen der Familie ging dabei verloren.
Gina Apponyi war mit dem Grafen Anton Louis Apponyi, * 23.04.1877 in Wien, † 06.06.1952 in Újfehértó, Ungarn, Eheschließung am 17.10.1910 in Brüssel, verheiratet.
Die gemeinsame Tochter war Teréz Apponyi.
Wiener Salonblatt vom 20.8.1910, Seite 12:
Hymen.
Aus Brüssel meldet man die Verlobnng des Km., Sekr. im
ung. Handelsmin., kommerz. Att. für Belgien und Lt. d. R. des
KouvHufRgts. Nr. 8, Anton Grafen Apponyi mit Mlle Lindes,
einer Nichte des großbrit. Gesandten am belg. Königshofe, Sir
Constantine Phipps of the Marquesses of Normanby. Der Bräutigam
ist der zweite Sohn des am 12. Dez. 1909 verstorbenen Grafen
Ludwig, Herrn auf Nagy und Kis-Appony, Km., GRates, Hofmarschalls
in Ungarn und erbl. Mitgl. des Magnatenhauses uud
dessen Gemahlin Margareta geb. Gräfin v. Seherr u. Thoß,
PD. und StkrD. Er hat zwei Brüder, die Grafen Julius, Km.
und OLt. d. R. des HusRgts. Nr. 13, und Heinrich, Km., Konz.-Prakt.
im ung. Handelsmin. und GefAtt.; sowie drei Schwestern:
Therese Freifrau Josef Inkey v. Pallin, StkrD.; Komtesse Adele;
und Franziska Gräfin Ladislaus Karolyi, PD.
Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) vom 18.10.1910, Seite 9:
(Vermählung.) In der Nunziatur zu Brüssel
hat gestern die Vermählung des Kämmerers, Ministerialsekretärs
im ungarischen Handelsministerium und Leutnants
in der Reserve des Husarenregiments Nr. 16 Grafen Anton
Apponyi de Nagy-Apponyi, Sohnes des Hofmarschalls
in Ungarn Grafen Anton Apponyi und seiner
Gemahlin Gräfin Marguerite, gebornen Gräfin Seherr-Thoß,
mit Mlle. Eugenie Lindes, Tochter des Herrn Germain
Eduardowitsch Lindes und seiner Gemahlin Frau Eugenie
Wasiliwna Lindes, geborner Schumacher, stattgefunden.
Wiener Sonn- und Montags-Zeitung vom 20.4.1931, Seite 3:
Selbstmord der Gräfin Gina Apponyi.
Fenstersturz aus dem zweiten Stockwerk - Das tragische Ende einer
Morphinistin -
Katharina Schratt bewirtet die verarmte Freundin.
Die Polizeikorrespondenz meldet:
Heute ist hier nach langem, schwerem Leiden Gräfin Gina
Apponyi, Gemahlin des Grafen Anton Louis Apponyi, im
Alter von 44 Jahren gestorben.
Hinter dieser Meldung verbirgt sich eine erschütternde
Tragödie, der gestern die in Wiener und
Budapester Gesellschaftskreisen
sehr bekannte Gräfin Apponyi znm Opfer gefallen ist.
Es war gegen vier Uhr nachmittags, als Passanten
in einer belebten Straße des
neunten Bezirkes durch einen
dumpfen Fall erschreckt wurden. Aus einem Fenster
im zweiten Stock hatte sich eine Frau auf die Straße
gestürzt und war mit zerschmetterten
Gliedern leblos liegen geblieben. Ein Arzt
wurde herbeigeholt, doch schien jede Hilfe zu spät. Die Frau,
die sichtlich den besten Ständen angehörte, war ihren
schweren Verletzungen bereits erlegen.
Eine polizeiliche Kommission erschien auf dem Tatort
und die Identität der Toten wurde festgestellt. Es ist, wie gesagt,
die 44jährige ungarische Gräfin Gina Apponyi, die seit
einigen Jahren, von ihrem Mann getrennt, mit ihrer Tochter in
Wien lebt. Sie befand sich seit ungefähr zwei Monaten in
Krankenpflege, da ihr Organismus durch Rauschgifte
sehr gelitten hatte. Obwohl die Dame als schwer
leidend bezeichnet werden mußte, hat doch niemand befürchtet, daß
sie ihr Leben auf diese Weise von sich werfen wolle. In einem
unbewachten Augenblick hat die Unglückliche ihren Entschluß zur
Ausführung gebracht. Sie war nur kurze Zeit allein, dürfte
schnell das Fenster geöffnet und sich in die Tiefe gestürzt haben.
Gräfin Apponyi hinterließ einen Abschiedsbrief, der
mit den Worten begann: „Ich ertrage das Leben nicht
mehr ..."
Von der Elfzimmerwohung zum möblierten Zimmer.
Der Freundschaftsdienst der
Katharina Schratt,
Ueber die Persönlichkeit der Gräfin Apponyi
erfahren wir folgende Einzelheiten:
Gräfin Gina Apponyi ist flämisch-russischer Herkunft
und war eine Bürgerliche. Sie hieß mit ihrem Mädchennamen
Kindes-Germanogar. Mit ihrem Gatten, der
Budapester
Direktor der Hamburg-Amerika-Linie ist, wurde sie in
Brüssel getraut und dieser Ehe entstammt eine jetzt acht
zehnjährige Tochter, die mit der Mutter in Wien lebte.
Gräfin Apponyi, die sehr reich war, hat während der
Herrschaft Bela Kuns in
Best of Ungarn ihr ganzes
Vermögen eingebüßt. Sie erlitt damals einen
schweren Nervenschock, wurde schwer nervenleidend und
verfiel dem Morphinismus. Zeitweise mußte sie sich
Entwöhnungskuren unterziehen und auch jetzt stand sie
deshalb in ärztlicher Behandlung. Der Vater ihres Mannes, des
Grafen Anton Louis Apponyi, war der vormalige Obersthofmarschall
Graf Ludwig Apponyi.
Der Weg der Gräfin Eugenie Apponyi zum Selbstmord
war der Weg der gefeierten Schönheit der vornehmen Dame der
Gesellschaft der Aristokratin, die aller materiellen Mittel entblößt,
sich in einer neuen Welt nicht mehr zurechtfinden konnte.
Gräfin Apponyi bewohnte vor dem Kriege in Wien in der
Theresianumgasse eine Elfzimmerwohnung.
Nach dem Kriege gelang es ihr einige Zeit noch den kostspieligen
Haushalt aufrechtzuerhalten. Dann mußte sie aber in eine
kleinere Wohnung in die Viktorgasse übersiedeln. Die drei
Zimmer, die sie hier bewohnte, waren mit vornehmen Geschmack
eingerichtet und die Gräfin, die an einem schweren Nierenleiden
litt, konnte hier immer noch ihre vertrauten Freundinnen,
Mitglieder der vornehmsten Gesellschaft, empfangen.
Zu ihren besten Freundinnen gehörte in erster Linie Frau
Katharina Schratt
und es war allgemein bekannt, daß Frau
Schratt, die in strenger
Zurückgezogenheit lebt, ihre Freundschaft der Gräfin Apponyi
schenkte. Als
Gräfin Apponyi immer mehr verfiel, sich die Zeichen der
Krankheit immer deutlicher zeigten,
so daß sie im Morphium ihre Zuflucht suchte, erkannte man in
ihrer Umgebung auch immer deutlicher, daß sie auch mit schweren
materiellen Sorgen zu kämpfen hatte. Alsbald mußte sie zwei
von den drei Zimmern der Wohnung in der Viktorgasse aufgeben,
sie vermietete die beiden Zimmer, um sich dadurch einen
spärlichen Lebensunterhalt zu sichern und dem furchtbaren
Laster frönen zu können.
Ihre Tochter, die als eine blendende Schönheit geschildert
wird, schickte sie nach
Budapest und der Vater brachte das Mädchen
in einem Kloster unter. Vor einiger Zeit war Gräfin
Apponyi auch gezwungen, ihre Möbel zu verkaufen, und sie
wohnte dann in der Viktorgasse in einem einzigen möblierten
Zimmer. Im Hause sah man sie selten, doch man wußte,
daß das Morphium von ihr Besitz ergriffen hatte, denn sie verließ
das Haus bisweilen in fäst bewußtlosem Zustand und man
fürchtete ernstlich um ihr Leben.
Katharina Schratt
versuchte mit allen Mitteln, Gräfin Apponyi dem Leben zu erhalten;
sie redete ihr damals schon zu, ein Sanatorium anfzusuchen.
Als ihr freundschaftliches Zureden erfolglos blieb,
unternahm es Frau
Schratt, der Freundin wenigstens das Leben
äußerlich erträglicher zu machen, indem sie ihr die Möglichkett
gab, das Dasein als Wohnungsvermieterin und Bewohnerin
eines möblierten Zimmers aufzugeben.
Frau
Schratt stellte Gräfin Apponyi ihre eigene Wohnung
aus dem Kärntnerring zur Verfügung. Hieher brachte
sie Gräfin Apponyi, die in dem vornehmen Palais der Frau
Schratt, Kärntnerring 4, zwei bescheidene Zimmer bewohnte.
Hier hatte Sie fast gar keine Besuche mehr empfangen.
Pester Lloyd vom 23.4.1931, Seite 7:
Gräfin Gina Apponyi †. Aus Wien wird gemeldet:
Heute, nachmittag wurde unter großer Beteiligung die
irdische Hülle, der unter so tragischen Umständen am
Sonntag aus dem Leben geschiedenen Gräfin Gina
Apponyi beigesetzt. In der
Hietzinger Pfarrkirche, in der
die Einsegnung erfolgte, hatten sich außer dem Gatten
der Verblichenen Grafen Anton Apponyi mit Tochter;
Komtesse Resi Apponyi eingefunden: Baron und Baronin
Kiss; die Komtessen Wilhelmine und Geraldine
Apponyi, Gräfin Enphrosyne Károlyi, Graf Andor Semsey,
der ungarische Gesandte Graf Ludwig Ambrózy, der belgische
Gesandte Le Ghait, die Gemahlin des französischen
Gesandten Grafen Clauzel, der ehemalige Minister des
Äußern Graf Ottokar Czernin und eine große Anzahl von
Mitgliedern der Aristokratie. Nach der Einsegnung bewegte
sich der Trauerzug zum
Hietzinger Friedhof, auf
dem die Beisetzung der Leiche erfolgte.
Wiener Salonblatt vom 24.6.1922, Seite 7:
Verwandtschaftsverhältnis von Gräfin Gina Apponyi, * 27.01.1888, † 19.04.1931, mit
Katharina von Kiss-Schratt:
In der griechischen Kirche fand am 12. d. die
Trauung des LegRates a.D. Baron Anton Kiss de Terebe,
Sohnes der Frau Katharina v. Kiss-Schratt,
mit Mme. de Glosse, der Schwester der Gräfin Djina Apponyi,
statt. Das neuvermählte Paar begab sich nach München.
Weiters im Grab bestattet:
Konstantin Apponyi, * 03.09.1976, † 01.01.1977, Bestattungsdatum: 17.01.1977
Die Grabstelle (auf Friedhofsdauer) befindet sich am
Hietzinger Friedhof (Gruppe: 55, Nummer: 163).
Quelle: Text: www.nikles.net, Bilder: www.nikles.net, Wiener Salonblatt vom 20.8.1910, Seite 12, Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) vom 18.10.1910, Seite 9, Wiener Salonblatt vom 2.4.1921, Seite 3, Wiener Salonblatt vom 24.6.1922, Seite 7, Wiener Sonn- und Montags-Zeitung vom 20.4.1931, Seite 3, Pester Lloyd vom 23.4.1931, Seite 7.