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Die Bundeshauptstadt

Person - Alfred Abraham Gerngross

Alfred Abraham Gerngross, auch Gerngroß, * 31.12.1844 in Forth (Eckental) in Bayern, † 07.01.1908 in Wien, war ein deutsch-österreichischer Kaufmann und Warenhausbesitzer (Gern. Zuletzt wohnhaft 7., Zieglergasse Nr. 2.

Biografie: Er stammte aus einer jüdischen Familie in Franken und kam über Frankfurt in die Bundeshauptstadt und begann seinen Aufstieg bereits im Jahr 1881 mit seinen erstem Geschäft in der Kirchengasse im Bezirk Neubau. In Konkurrenz und unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem zeitweiligen Arbeitgeber auf der Mariahilferstraße August Herzmansky gelang es Alfred Gerngroß, Wiens größtes Warenhaus aufzubauen. Zwei seiner vier Söhne wurden zusammen mit seinem Bruder Hugo Gerngross bereits zu seinen Lebzeiten Gesellschafter des Unternehmens. Die Umwandlung des Warenhauses Gerngross in eine Aktiengesellschaft erfolgte, 3 Jahre nach dem Tode von Alfred Gerngross, am 22. Dezember 1911. Alfred Gerngroß hinterließ ein Vermögen von geschätzten 4 Millionen Goldkronen. In den wirtschaftlich besten Zeiten hatte das Kaufhaus um die 1600 Angestellte. Die sozialdemokratische Arbeiter-Zeitung betonte anlässlich seines Todes in einem Artikel vom 8. Januar 1908 die sozialpolitische Aufgeschlossenheit des Unternehmers. Er wurde auf dem alten jüdischen Friedhof des Wiener Zentralfriedhofs (Israelitische Abteilung, 1. Tor, Gruppe 51/1/40) beigesetzt. Das Granitgrabmal der Familie Gerngross wurde vom Bildhauer Franz Zelezny, * 06.08.1866 in Wien, † 08.11.1932 in Wien, in Form einer Gartenlaube, geschaffen und signiert (1908).

Kinder:
Albert Johann Gerngross, * 27.04.1874 in Frankfurt, Darmstadt, † 10.07.1972 in Arosa, Schweiz
Robert Bernhard Gerngross, * 06.01.1876 in Frankfurt am Main, † 09.04.1942 in Ghetto Izbica, Polen (Holocaust)
Paul Gerngross, * 12.02.1880 in Wien, † 09.12.1954 in Wien
Otto Gerngross, Dozent, * 26.02.1882 in Wien, † 23.01.1966 in Ankara
Rosa Marie Licht-Bein, * 10.07.1872 in Frankfurt, Darmstadt, † 22.06.1936 in Wien
Wilhelmine Maria Hemma (Minna, Mina) Reichel, * 06.04.1877 in Wien, † 01.06.1942 in Maly Trostinec, Belorussia (Holocaust)
Lilly Juritzi Freifrau Karwinsky von Karwin, geb. Gerngross, * 20.05.1889 in Wien, † 04.06.1987 in Semmering, Steiermark
Margarethe Gretl Gerngross, * 12.04.1891 in Wien, † 04.09.1939 in Wien (Suizid)

Neue Freie Presse vom 7.1.1908, Seite 17: [Alfred Gerngroß]. Der Seniorchef des Modehauses auf der Mariahilferstraße A. Gerngroß Herr Alfred Gerngroß, ist heute früh nach kurzer Krantheit im Alter von 63 Jahren in seiner Wohnung, Neubau, Zieglergasse 2, gestorben. Er war ein Selfmademan, der es vom einfachen Handlungsgehilfen zum Besitzer eines der größten Geschäftsetablissentents in Oesterreich gebracht hat; durch Energie, Ausdauer, hervorragenden Geschäftsgeist und rege Unternehmerlust hat er es verstanden, sich stetig emporzuarbeiten. Er war erst Reisender im Ausland, trat dann in das Geschäftshaus A. Herzmansky ein, brachte es dort bald zum Mitchef der Firma und übernahm im Jahre 1879 das Geschäft ganz selbständig, um es dann unter der Firtna A. Gerngroß fortzuführen. Herr Gerngroß hat sich um den Aufschwung der österreichischen Seidenindustrie vielfache Verdienste erworben. Er hinterläßt vier Söhne und vier Töchter. Ein Bruder des Verstorbenen sowie zwei Söhne teilen sich in die Leitung des Geschäftshauses.

Illustrirtes Wiener Extrablatt vom 7.1.1908, Seite 16: (Alfred Gerngroß gestorben.) Der Seiden-, Sammt- und Modewaarenhändler Alfred Gern­groß, Besitzer des Kaufhauses auf der Mariahilferstraße, ist heute Früh nach kurzer Krankheit im Alter von 63 Jahren in seiner Wohnung, Neubau, Zieglergasse Nr. 2, gestorben. Alfred Gerngroß war ehemals Commis des Hauses Herzmansky und übernahm im Jahre 1879 das Geschäft an der Ecke Mariahilferstraße und Kirchengasse. Er führte die En gros-Abtheilung für Woll- und Seidenwaaren und Zubehör für Schneider- und Modearbeiten ein. Nachdem das Geschäft viele Jahre lang als En gros- und Detailgeschäft geführt worden war, wurde im Jahre 1904, nach Ankauf zweier demolirter Nebenhänser das große Kaufhaus Gern­groß eröffnet und ausgestaltet. Alfred Gerngroß ist am 1. d. M. an einer Darmblutung plötzlich er­krankt und heute 4 Uhr Morgens dieser Krankheit erlegen. Er hinterläßt eine Witwe, vier Söhne und vier Töchter, von denen zwei verheiratet sind.

Neue Freie Presse vom 8.1.1908, Seite 22: Emma Gerngross gibt im eigenen Namen, sowie im Namen ihrer Kinder und aller übrigen verwandten Nachricht von dem Ableben ihres innigstgeliebten, unvergessliehen Gatten, des Herrn Alfred Gerngross welcher nach einem arbeitsreichen und selbstlosen Leben im 63. Lebensjahre am 7. Januar 1908 nach kurzem Leiden sanft verschieden ist. Das Leichenbegängnis des teuren Verblichenen findet Donnerstag den 9. d. M. um 10 Uhr vormittags vom Trauerhause: VII., Zieglergasse 2, aus nach dem Zentralfriedhofe statt.

Neue Freie Presse vom 4.10.1920, Seite 6: Freitag,den 1. Oktober 1920 verschied nach kurzem Leiden Frau Emma Gerngross im 68. Jahre ihres dem Wohle ihrer Familie gewidmeten Lebens. ...

Reichspost vom 19.6.1929, Seite 5: Präsident Hugo Gerngroß gestorben. Am vergangenen Sonntag ist Hugo Gerngroß, Präsident der A. Gerngroß A.-G., einer der bekanntesten Geschäftsmänner Wiens, nach langem schweren Leiden verschieden. An seinen Namen knüpft sich die Erinnerung an die Errichtung des ersten Wiener Warenhauses, das sich ungefähr zur gleichen Zeit wie das Kaufhaus Esders etablierte. Während sich aber Esders auf die Herren- und Damenkonfektion beschränkte, schuf der jetzt Verstorbene gemeinsam mit seinem Bruder ein Kaufhaus im eigentlichen Sinne des Wortes, d. h., er gestaltete die im Jahre 1879 gegründete Textilfirma Gerngroß nach dem Vorbild des Franzosen Chanchard zu einem Großbetrieb aus, in welchem Waren aller möglichen Gattungen verkauft wurden. Damit wurde er zu einem kritischen Konkurrenten für den Detailhandel und bis zu einem gewissen Grade auch für das Gewerbe. In den ersten Jahren des Kaufhauses Gerngroß kam dann auch der Widerstreit der materiellen Interessen scharf zum Ausdruck. Es zeigte sich dabei immer deutlicher, daß auch gewisse Gewerbe sich großer Organisationsformen bedienen müssen und die richtige Verteidigung gegen die Warenhausbetriebe in der genossenschaftlichen Vereinigung zu Einkauf und Verkauf liege. Tatsächlich sind dieser modernen genossenschaftlichen Entwicklung eine Reihe von Branchen in Wien gefolgt, einer Entwicklung, die sozusagen als Gegengewicht gegen die finanzielle und organisatorische Macht der Kaufhäuser angesprochen werden darf. Ueber die Laufbahn des nunmehr ver­storbenen Leiters der Gerngroß A.-G. wird uns von einer dem Trauerhause nahestehenden Seite folgendes mitgeteilt: Geboren 1857 in Fürth in Bayern, war Hugo Gerngroß in seiner ersten Jugend in dem Wiener Geschäft seines älteren Bruders Alfred tätig, in das er 1884 als Gesellschafter eintrat. Hauptsächlich er schuf 1904 die Ausgestaltung des seinerzeitigen Textil-Engros- und Detailgeschäftes zu einem Warenhaus, dessen Leitung er nach dem Tods seines Bruders übernahm. Im Jahre 1911 wandelte er die Firma, in eine Aktiengesellschaft um, deren erster Präsident er war und bis zu seinem Tod verblieb. Der Verstorbene war auch als Landwirt tätig; er hat sein Gut in Feistritz in der Steiermark zu einer Musterwirtschaft ausgestaltet. Wer ihn näher kannte — und deren gab es nicht viele — wußte, welch tiefe Herzensgüte in dem der Außenwelt scheinbar kühl gegenüberstehenden Mann wohnte. Seiner Schlichtheit entsprach es, Gutes im stillen zu tun. Viele Menschen verlieren an ihm ihren Wohltäter. Er war unverheiratet. In den letzten Jahren kränkelte er und überließ die Führung des Hauses seinen drei Neffen, den Herren Albert, Robert und Paul Gerngroß, denen er bis zum Tod mit seinem Rat zur Seite stand.

Weiters im Grab bestattet:
Emma Elisabeth Betty Gerngross (Ehefrau), geb. Sichel, * 07.03.1852 in Frankfurt am Main, † 01.10.1920 in Wien
Hugo Gerngross, Präsident der Gerngroß A.G., * 11.03.1857 in Fürth (Bayern), † 16.06.1929

Quelle: Text: www.nikles.net, Bilder: www.nikles.net, Gerngross Archive, gemeinfrei, Neue Freie Presse vom 7.1.1908, Seite 17, Illustrirtes Wiener Extrablatt vom 7.1.1908, Seite 16, Neue Freie Presse vom 8.1.1908, Seite 22, Neue Freie Presse vom 4.10.1920, Seite 6, Reichspost vom 19.6.1929, Seite 5, Die Stunde vom 21.6.1929, Seite 3.



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